Qualität ist uns wichtig
Für die Primarstufe gilt:
Lehrer sind an der Regelschule eher Einzelkämpfer denn Teamworker.
Grundschulleiter sind in Deutschland mehr Lehrer als Leiter.
Dies sind zwei statistische Feststellungen, die sich aus dem Zuschnitt des Arbeitsplatzes ergeben und mit denen auch wir umzugehen haben.
Wir fühlen uns in hohem Maße für die uns anvertrauten Kinder verantwortlich. Schließlich werden in der Arbeit an der Grundschule in der Regel entscheidene Weichen für den weiteren schulischen Werdegang gestellt.
Das Vorausgesagte hat uns dazu veranlasst, gemeinsam verschiedene Maßnahmen zur Qualitätssicherung zu verabreden. Sie seien im folgenden dargestellt.
1. Mitarbeitergespräche zwischen dem Leiter der Primarstufe und den übrigen Lehrkräften
2. Gegenseitige Unterrichtsbesuche innerhalb des Kollegiums
3. Regelmäßiger Einsatz von Fragebögen für Schüler oder Eltern
4. Regelmäßige Fort- und Weiterbildung der einzelnen Lehrkäfte
5. Regelmäßige gemeinsame schulinterne Fortbildungen des ganze Kollegiums (z.B. zu Themen wie Inklusion, Jungenpädagogik, Gewaltfreie Kommunikation, Naturwissenschaft & Technik im Sachunterricht oder Vernetztes Lernen)
Damit alle beteiligten Lehrkräften von ganzem Herzen und mit frohem Mut diese Maßnahmen befürworten konnten, war es nötig, eine gemeinsame Basis, ein von allen anerkanntes Grundverständnis für die Qualitätsentwicklung zu finden, zu diskutieren und festzuschreiben.
Wir wurden fündig bei der Heideschule Buchholz. Ihr Leiter, Holger Blenck, hat in 13 Absätzen ein Bedingungsgefüge der Qualitätsentwicklung an der Heideschule beschrieben, das uns sehr gut gefiel. Wir konnten uns nach ausgiebiger Diskussion auf diese folgend zitierten 13 Punkte festlegen. Herr Blenck gab uns freundlicherweise die Erlaubnis, uns seine durchdachten Aussagen in jeder Form zu eigen zu machen.
Zitat Anfang:
Bedingungsgefüge für eine gelingende Qualitätsevaluation (Holger Blenck)
1. Qualitätsverdacht: Der weitaus größte Teil der Lehrerinnen und Lehrer ist in der Lage und sehr bemüht, den Anforderungen des Berufes und des Arbeitsplatzes verantwortungsvoll gerecht zu werden. Der Schweizer Schulentwickler Anton Strittmatter (vgl. 1997, S. 2) bemerkt zur Stärke der deutschsprachigen Länder, „dass sich die einzelne Lehrperson in hohem … Maße für den Lernerfolg ihrer SchülerInnen zuständig fühlt“ (zit. in Altrichter 1998, S. 296). Die Professionalität einerseits und die gesellschaftlichen Erwartungen und Anforderungen andererseits machen gezielte Evaluationsprozesse zur Weiterentwicklung und Transparenz notwendig.
2. „Evaluation berührt das Berufsbewusstsein der Lehrerschaft im Kern“, schrieb Rolff (1997 in einem Gutachten für die GEW Niedersachsen), denn beispielsweise ist das Unterrichten eine Tätigkeit, bei der die Lehrkraft ihre Persönlichkeit offenbart. Dieses erfordert ein bedachtes und vertrauensvolles Vorgehen in Evaluationsprozessen von allen Beteiligten.
3. Lehrerinnen und Lehrer arbeiten mit einem hohen Arbeitspensum. Die durch die Schul(verwaltungs-)reform entstandenen Aufgaben bedeuten einen erweiterten Verantwortungsbereich. Die entstandenen neuen Aufgaben (der Planung und Evaluation) müssen unter Berücksichtigung des bestehenden Arbeitspensum effektiv eingebunden werden. Überflüssige Aktionen sind zu vermeiden.
4. Evaluation bedeutet Bewertung oder Beurteilung. Sie geschieht in einem Prozess, dessen einzelnen Phasen einer jeden Evaluation zugrunde liegen: Informationssammlung ? Interpretation/Auswertung ? Formulierung von Zielen und Evaluationskriterien (als Übergang zur erneuten Planungsphase im obigen Rückkopplungsprozess).
5. Die Qualität einer Schule besitzt zwei Wirklichkeiten: Die erste Wirklichkeit existiert in den Köpfen der Lehrkräfte (Innensicht) und die zweite Wirklichkeit (Außensicht) in den Köpfen weiterer mehr oder weniger Beteiligter (Schüler, Eltern, Gesellschaft). Beide Wirklichkeiten wechselwirken miteinander; sie können auch völlig konträre Positionen einnehmen, wenn beispielsweise eine gut arbeitende Schule schuldlos einen schlechten Ruf erfährt. Daraus folgt: Qualitätsevaluation hat durch Beteiligung und Berichterstattung auf beide Wirklichkeiten abzuzielen – auch wenn dieses manchmal eine mühsame Arbeit ist. Sie hat allerdings auch für eine scharfe Trennung beider Wirklichkeiten zu sorgen, falls es im obigen Beispiel zu destruktiven Wechselwirkungen kommt. Die interne Professionalität ist in diesem Falle wichtiger als eine externe Rechenschaftslegung. Im Zweifelsfalle gilt der Primat der ersten gegenüber der zweiten Wirklichkeit.
6. Evaluation verfolgt mehrere Zielrichtungen: (a) Selbstreflexion und Selbstvergewisserung der Lehrkräfte, (b) Grundlage zum Erkenntnisgewinn und/oder zur Weiterentwicklung für die eigenständigere Schule, (c) Kontrolle zur Einhaltung von Mindestvorschriften, (d) als Beteiligungsinstrument, (e) Rechtfertigung und Berichterstattung gegenüber der Öffentlichkeit.
7. Inhaltlich beschränken wir unsere Evaluation pragmatisch auf die u.E. entscheidenden Felder des Individual-Feedbacks und der Schulqualitäts-Recherchen (vgl. Strittmatter 1997). Diese Unterteilung korrespondiert mit den beiden Wirklichkeiten.
8. Evaluation ist, obwohl weitreichender als der Prozess der Planung, immer ein reduzierender Prozess. Die Vielfalt schulischen Seins wird durch bewusste Reflexionen nur ausschnitthaft scharfgestellt. Insbesondere das Scharfstellen auf wenige oder gar einzelne Qualitätsindikatoren verringert die Aussagekraft bezogen auf die vielschichtige Qualität einer „guten“ Schule. Je stärker auf einzelne Qualitätsindikatoren fokussiert wird – beispielsweise um Vergleiche zu ziehen -, desto unschärfer wird die Qualitätsevaluation. Dieser Unschärfe-Effekt birgt die Gefahr der unvollständigen, nicht gerecht werdenden oder fassadenhaften Evaluation und das kann verbunden sein mit einem Verlust an Authentizität. Die Lösung dieses Problems liegt in einem prozesshaften Verständnis von Evaluation: Stetig um Qualität bemühte Lehrkräfte im „ständigen Verbesserungsprozess“ werden diesen generellen Nachteil der Evaluation überdecken.
9. Alle Lehrkräfte einer Schule (auch die Schulleitung) arbeiten in diesem „ständigen Verbesserungsprozess“ und unterziehen sich Evaluationsprozessen. Diese wiederum sind beständig Meta-Evaluationen zu unterziehen.
10. Interne (Selbst-) und externe (Fremd-) Evaluation ergänzen einander bei dem Erreichen der unter 5. genannten Zielsetzungen. Der Primat liegt jedoch eindeutig bei der Selbstevaluation; der Fremdevaluation kommt eine unterstützende nachgeordnete Bedeutung zu (vgl. Anton Strittmatter 1997, S. 5).
11. Bei der Erhebung von Evaluationsdaten kommt es zu mehr oder weniger starken Wechselwirkungen. Gerade bei punktuellen, externen Beobachtungen kann die Normalsituation durch die Beobachtung verstellt sein. Hieraus erwächst die Forderung nach begleitender Evaluation.
12. Daten gehören den Evaluierenden. Mit Trennschärfe ist dieser Grundsatz in einem Evaluationskonzept insbesondere bei dem Individual-Feedback umzusetzen. Die Ansprüche einer äußeren Kontrollinstanz (Schulleitung/Schulaufsicht) oder Beteiligter wie SchülerInnen oder Eltern haben dahinter zurück zustehen.
13. Quantitativ-orientierte Datenerhebungen sind kein Ersatz für eine qualitative Evaluation. Selbst bei umfangreichen Informationssammlungen (Diagnose zu Beginn der Schulprogrammentwicklung oder Schülerfragebögen) ist ein „Quantensprung“ zur qualitativen Evaluationsaussage notwendig. Zu viele Daten können sogar den intuitiven Blick fürs Wesentliche verstellen. (Man vergleiche in einer Analogie die ran-Datenbank mit den Erkenntnissen eines Otto Rehagel)
Zitat Ende